Sternenstaub
Es ist 22:00 Uhr als wir starten. Die Nacht ist tief an diesem Tag im März und der Himmel wolkenverhangen. Aber laut der Wettervorhersage ist es in dieser Woche einer der günstigen Tage, um Polarlichter zu sehen. Ein bisschen enttäuscht bin ich schon. Es war den ganzen Tag klar und sonnig erst gegen Abend hat es sich bewölkt. Wir steigen in den Wagen und machen uns auf den Weg ins Tal. Im Licht der Scheinwerfer sehe ich nichts außer dem weißen Band der schneebedeckten Straße und den grellen Suchscheinwerfern der vereinzelt entgegenkommenden Fahrzeuge. Elias hängt mit der Nase an seiner Seitenscheibe und murmelt etwas wie „ich sehe was, aber sie bewegen sich so schnell“. Ich lenke den Wagen in eine Parkbucht. Wir steigen aus. Und tatsächlich, über den Himmel ziehen, mit einiger Geschwindigkeit, grün graue Streifen. Die Nacht der Polarlichtjäger hat begonnen. Ich beschließe an eine Stelle zufahren, an der wir am Nachmittag schon einmal Pause gemacht haben. Es ist ein kleiner Parkplatz am Ufer des Inari-Sees, von dem aus man mit wenigen Schritten auf den zugefrorenen, schier endlosen See gelangt. Fünfzehn Minuten später ist es dann soweit. Bei -15°C stehen wir auf der weiten, weißen Eisfläche und recken die Köpfe in den Himmel. Über uns mäandern grau-grüne Bänder feinsten Sternenstaubs. Das Fotografieren wird zur Nebensache, bald höre ich ganz auf. Ich stehe da und sehe Drachen, Adler, Bären und Spiralen über den Himmel ziehen. Die Zeit steht still. Ich spüre die Gegenwart von Schamanen die vor Urzeiten über diesen See gezogen sind und versuchten aus dem Sternenstaub die Zukunft zu lesen. Man kann seinen Blick nicht mehr abwenden, wird hineingezogen in das himmlische Treiben und erkennt, wenn man Glück hat sich selbst. Elias mahnt mich zum Aufbruch. Trotz Daunenparka und Schneeboots wird es plötzlich empfindlich kalt. Noch heute sitze ich manche Sommernacht im Garten, schaue in den Himmel und sehne mich nach grün-grauen Bändern die die Geschichte der Welt erzählen.
Diese Reise war einfach zu fantastisch, als sie einfach mit einem profanen Finnland zu überschreiben. Es war die bewusste Entscheidung den Polarkreis zu überqueren, noch dazu im Winter. Wir erreichten Ivalo, den nördlichsten Linien Flughafen Europas nach 18 Stunden Flug. Das ist länger, als man gemeinhin nach Japan oder in die USA braucht. Und da Gefühl nach dieser Reisezeit das Flugzeug über eine Treppe in die eiskalte Nachtluft zu verlassen, um über ein Schneefeld die Abfertigungshalle zu erreichen ist unbeschreiblich.